Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 10.04.2018 entschieden, dass auch rechtswidrig hergestellte Filmaufnahmen von Presse- und Medienunternehmen u.U. veröffentlicht werden dürfen.
Im vorliegenden Fall wurden Filmaufnahmen durch einen Tierschützer in einem Bio-Betrieb angefertigt, welche die dortigen Zustände zwar zutreffend wiedergaben, jedoch heimlich und ohne Zustimmung des Betreibers hergestellt worden waren. Die Filmaufnahmen zeigten u.a. die verpackten Waren, tote Hühner oder solche, die ein unvollständiges Federkleid hatten, eine umzäunte Auslauffläche und die Innenaufnahme eines Hühnerstalls. Die Aufnahmen wurde dann im Rahmen von verschiedenen Dokumentationen über „die Schattenseiten von biologischer Tierhaltung“ im Fernsehen ausgestrahlt.
Der Bundesgerichtshof hat die Klage des Erzeugerzusammenschlusses der ökoligischen Betriebe in letzter Instanz abgewiesen. Der BGH hat eine umfassende Interessenabwägung durchgeführt und entscheiden, dass im vorliegenden Fall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und das Recht des verklagten Medienunternehmes auf Meinungs- und Medienfreiheit das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs und ihre unternehmensbezogenen Interessen überwiegen. Dies gelte auch trotz der Tatsache, dass die Filmaufnahmen rechtswidrig hergestellt worden waren. Es entspreche der Aufgabe der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“, sich mit den geschilderten Gesichtspunkten zu befassen und die Öffentlichkeit zu informieren.
Das Urteil des BGH darf freilich nicht als Freibrief dafür missverstanden werden, dass nunmehr rechtswidrig hergestellte Foto- und Filmaufnahmen durch Presse- und Medienunternehmen stets veröffentlicht werden dürfen. Vielmehr bedarf es einer sorgfältigen Interessenabwägung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und Interessen der Beteiligten.
Die Pressemitteilung des BGH vom 10.04.2018 im Volltext:
Verbreitung ungenehmigter Filmaufnahmen aus Bio-Hühnerställen
Urteil vom 10. April 2018 – VI ZR 396/16
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. April 2018 über die Zulässigkeit der Verbreitung ungenehmigter Filmaufnahmen aus Bio-Hühnerställen entschieden.
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein auf die Vermarktung von Bio-Produkten spezialisierter Erzeugerzusammenschluss von elf ökologisch arbeitenden Betrieben, die Ackerbau und Hühnerhaltung betreiben. In den Nächten vom 11./12. Mai und 12./13. Mai 2012 drang F., der sich für den Tierschutz engagiert, in die Hühnerställe von zwei der in der Klägerin zusammengeschlossenen Betriebe ein und fertigte dort Filmaufnahmen. Die Aufnahmen zeigen u.a. Hühner mit unvollständigem Federkleid und tote Hühner. F. überließ die Aufnahmen der Beklagten, die sie am 3. September 2012 in der Reihe ARD Exklusiv unter dem Titel „Wie billig kann Bio sein?“ bzw. am 18. September 2012 im Rahmen der Sendung „FAKT“ unter dem Titel „Biologische Tierhaltung und ihre Schattenseiten“ ausstrahlte. Die Beiträge befassen sich u.a. mit den Auswirkungen, die die Aufnahme von Bio-Erzeugnissen in das Sortiment der Supermärkte und Discounter zur Folge hat, und werfen die Frage auf, wie preisgünstig Bio-Erzeugnisse sein können.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im Einzelnen näher bezeichnete Bildaufnahmen zu verbreiten, die verpackte Waren, tote Hühner oder solche, die ein unvollständiges Federkleid haben, eine umzäunte Auslauffläche und die Innenaufnahme eines Hühnerstalls zeigen. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Die Entscheidung des Senats:
Der Bundesgerichtshof hat der Revision stattgegeben und die Klage abgewiesen. Die Verbreitung der Filmaufnahmen verletzt weder das Unternehmerpersönlichkeitsrecht der Klägerin noch ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Zwar sind die Filmaufnahmen – die eine Massentierhaltung dokumentieren und tote oder nur mit unvollständigem Federkleid versehene Hühner zeigen – geeignet, das Ansehen und den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Der Senat ist auch davon ausgegangen, dass die Ausstrahlung der nicht genehmigten Filmaufnahmen das Interesse der Klägerin berührt, ihre innerbetriebliche Sphäre vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Diese Beeinträchtigungen sind aber nicht rechtswidrig. Das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs und ihre unternehmensbezogenen Interessen. Dies gilt trotz des Umstands, dass die veröffentlichten Filmaufnahmen von F. rechtswidrig hergestellt worden waren. Die Beklagte hatte sich an dem von F. begangenen Hausfriedensbruch nicht beteiligt. Mit den beanstandeten Aufnahmen wurden keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Klägerin offenbart. Die Aufnahmen dokumentieren vielmehr die Art der Hühnerhaltung durch dem Erzeugerzusammenschluss angehörige Betriebe; an einer näheren Information über diese Umstände hat die Öffentlichkeit grundsätzlich ein berechtigtes Interesse. Die Filmaufnahmen informieren den Zuschauer zutreffend. Sie transportieren keine unwahren Tatsachenbehauptungen, sondern geben die tatsächlichen Verhältnisse in den beiden Ställen zutreffend wieder. Mit der Ausstrahlung der Filmaufnahmen hat die Beklagte einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geleistet. Die Filmberichterstattung setzt sich unter den Gesichtspunkten der Verbraucherinformation und der Tierhaltung kritisch mit der Massenproduktion von Bio-Erzeugnissen auseinander und zeigt die Diskrepanz zwischen den nach Vorstellung vieler Verbraucher gegebenen, von Erzeugern oder Erzeugerzusammenschlüssen wie der Klägerin herausgestellten hohen ethischen Produktionsstandards einerseits und den tatsächlichen Produktionsumständen andererseits auf. Es entspricht der Aufgabe der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“, sich mit diesen Gesichtspunkten zu befassen und die Öffentlichkeit zu informieren. Die Funktion der Presse ist nicht auf die Aufdeckung von Straftaten oder Rechtsbrüchen beschränkt.
Vorinstanzen:
Oberlandesgericht Hamburg – Urteil vom 19. Juli 2016 – 7 U 11/14
Landgericht Hamburg – Urteil vom 13. Dezember 2013 – 324 O 400/13
Das Urteil im Volltext finden Sie nach der Veröffentlichung durch den BGH hier.