Mit Urteil vom 17. Dezember 2019 (Az.: VI ZR 504/18) hat der BGH entschieden, dass die Bild-Zeitung Aufnahmen zweier Personen veröffentliche durfte, die entgegen behördlicher Anordnung und gerichtlicher Bestätigung in gewerblichen Umfang gegen das in München geltende Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum verstießen. Mit den nun veröffentlichten Entscheidungsgründen widerspricht der BGH den Vorinstanzen.
Die beiden Kläger hatten im großen Stil Immobilien in München angemietet und diese sodann zu hohen Preisen an sog. Medizintouristen weitervermietet. Die zuständige Behörde untersagte dies, woraufhin es zu mehreren Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München kam. Im Rahmen der Berichterstattung zu einer dieser mündlichen Verhandlungen, veröffentlichte die Bild-Zeitung auch Aufnahmen der Kläger sowie deren Vornamen und ersten Buchstaben der Nachnamen. Die Kläger nahmen die Tageszeitung daraufhin unter anderem auf Unterlassung in Anspruch.
Für die Richter stellte sich die Frage, ob es sich bei den Fotos um „Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Kunsturhebergesetz (KUG) handelte, für deren Veröffentlichung eine Zustimmung der Betroffenen nicht erforderlich ist. Hierfür nahmen die Richter eine umfangreiche Interessenabwägung vor.
Im konkreten Einzelfall habe die Pressefreiheit und das Öffentlichkeitsinteresse Vorrang gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Kläger. Dass das Fehlverhalten der Kläger nur in einer Ordnungswidrigkeit und nicht in einer Straftat liegt, führe zu keinem anderen Ergebnis. Auch sei es für ein „Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ nicht erforderlich, dass die Person bereits in der Öffentlichkeit bekannt gewesen ist.
Denn das Recht am eigenen Bild könne auch dann hinter dem Interesse der Öffentlichkeit zurücktreten, wenn ein rechtswidriges Fehlverhalten einer der Öffentlichkeit nicht bekannten Person wegen seiner Art, seines Umfangs und seiner Auswirkungen auf gewichtige Belange der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung ist.
Die Bedeutung des Fehlverhaltens der Kläger für die Öffentlichkeit ließe sich somit zwar nicht mit dem Bekanntheitsgrad der Kläger begründen, wohl aber mit der besonderen Bedeutung ihres Fehlverhaltens für die Öffentlichkeit. Wer den Rechtsfrieden der Gemeinschaft angreife oder verletze, müsse grundsätzlich dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird.
Die Entscheidungsgründe des BGH im Volltext:
Identifizierende Berichterstattung durch Bild-Zeitung zulässig
I.
Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsanspruch der Kläger mit der Begründung bejaht, dass es sich bei den streitgegenständlichen Bildnissen nicht um solche aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) handle; die Abwägung der kollidierenden Rechtspositionen der Parteien ergebe, dass die berechtigten Interessen der Kläger überwögen. Zwar befasse sich die begleitende Wortberichterstattung mit einem aktuellen Thema von hohem gesellschaftlichen Interesse, nämlich der Wohnungsnot in München, dem Kampf der Stadt München gegen die Zweckentfremdung (als Ordnungswidrigkeit) und den damit in Verbindung stehenden illegalen Geschäften der Kläger bzw. ihren Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München. Auf der anderen Seite stelle die streitgegenständliche Berichterstattung unter Abbildung der Kläger eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kläger dar, weil damit ihr Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und ihre Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert werde. Zutreffend habe das Landgericht berücksichtigt, dass es sich um ein verwaltungsgerichtliches Verfahren und nicht um ein Strafverfahren handle, und dass das Verfahren die Untersagungsanordnung und nicht die Verhängung eines Bußgeldes beinhalte. Bei den Klägern handle es sich zudem weder um Politiker noch um sonst im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehende Personen, sondern um Privatpersonen, die bislang nicht in der Öffentlichkeit bekannt gewesen seien. Auch wenn eine individualisierende Berichterstattung nicht nur in Fällen schwerer Kriminalität, sondern auch bei leichteren Verfehlungen wegen der Art der Tat oder der Person des Täters in Betracht kommen könne, seien die Voraussetzungen hierfür unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände jedenfalls zum Zeitpunkt der Berichterstattungen noch nicht als gegeben anzusehen. Insbesondere seien keine Besonderheiten der Tat, die eine Abbildung der Kläger rechtfertigen könnten, ersichtlich. Allein der Umstand, dass die Kläger ihr rechtswidriges „Geschäftsmodell“ in gewerblichem Umfang mit erheblichen Gewinnen betrieben hätten, führe nicht dazu, dass sie auch eine individualisierende Bildberichterstattung zu dulden hätten.
II.
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der streitgegenständlichen Bildveröffentlichungen. Mit der einseitig zu Lasten der Beklagten angeführten Argumentation, dass es sich hier nicht um ein straf-, sondern (nur) um ein verwaltungsgerichtliches Verfahren handele, und der Auffassung, dass die Tat keine Besonderheiten aufweise, die eine Abbildung der Kläger zu rechtfertigen vermögen, hat das Berufungsgericht das Gewicht des öffentlichen Informationsinteresses verkannt.
1. Die Zulässigkeit der Bildveröffentlichungen beurteilt sich, wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren – hier nicht vorliegender – Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Abs. 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (Senatsurteile vom 18. Juni 2019 – VI ZR 80/18, VersR 2019, 1225 Rn. 30; vom 7. Juni 2011 – VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 14; vom 28. Oktober 2008 – VI ZR 307/07, NJW 2009, 757 Rn. 8 f.).
2. Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts handelt es sich vorliegend um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte.
a) Schon die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine – revisionsrechtlich voll zu überprüfende (vgl. nur Senatsurteile vom 27. September 2016 – VI ZR 310/14, NJW 2017, 804 Rn. 6 ff.; vom 11. Juni 2013 – VI ZR 209/12, NJW 2013, 3029 Rn. 9 ff.) – Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits. Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse (Senatsurteil vom 29. Mai 2018 – VI ZR 56/17, AfP 2018, 410 Rn. 11). Es gehört zum Kern der Pressefreiheit, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht. Dazu zählt auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird (Senatsurteil vom 28. Oktober 2008 – VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 15). Eine Bedürfnisprüfung, ob eine Bebilderung veranlasst war, findet nicht statt (Senatsurteile vom 18. Juni 2019 – VI ZR 80/18, VersR 2019, 1225 Rn. 31; vom 9. April 2019 – VI ZR 533/16, AfP 2019, 333 Rn. 10).
Allerdings besteht das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Es bedarf mithin einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen (Senatsurteile vom 18. Juni 2019 – VI ZR 80/18, VersR 2019, 1225 Rn. 32; vom 29. Mai 2018 – VI ZR 56/17, AfP 2018, 410 Rn. 14 f.; jeweils mwN).
Im Rahmen der Abwägung kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt der Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln ist. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, oder ob sie – ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis – lediglich die Neugier der Leser befriedigen (Senatsurteile vom 18. Juni 2019 – VI ZR 80/18, VersR 2019, 1225 Rn. 32; vom 29. Mai 2018 – VI ZR 56/17, AfP 2018, 410 Rn. 16; jeweils mwN).
Die Bedeutung des Informationswerts der Berichterstattung für die Interessenabwägung hat der erkennende Senat stets hervorgehoben (vgl. nur Senatsurteil vom 28. Oktober 2008 – VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 18 mwN). Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist (Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 – VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 18; vom 6. März 2007 – VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 20; jeweils mwN).
Geht es um eine identifizierende Bildberichterstattung über ein Fehlverhalten – insbesondere, aber nicht nur, über Straftaten -, so ist zu berücksichtigen, dass eine solche Berichterstattung in das Recht des Abgebildeten auf Schutz seiner Persönlichkeit eingreift, weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 18. Juni 2019 – VI ZR 80/18, VersR 2019, 1225 Rn. 33 mwN). Andererseits kann ein Fehlverhalten, auch ein solches, das keinen Straftatbestand erfüllt, zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. So begründen die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter (Senatsurteile vom 15. November 2005 – VI ZR 286/04, NJW 2006, 599 Rn. 14; vom 18. Juni 2019 – VI ZR 80/18, VersR 2019, 1225 Rn. 33). Die Kontroll- und Überwachungsfunktion der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“ ist nicht auf die Aufdeckung von Straftaten beschränkt (vgl. Senatsurteile vom 10. April 2018 – VI ZR 396/16, AfP 2018, 222 Rn. 31; vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, VersR 2015, 115 Rn. 20, 27). Für die tagesaktuelle Berichterstattung über Straftaten oder ähnliche Verfehlungen (BVerfG, NJW 2006, 2835 Rn. 11) verdient das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang (Senatsurteile vom 7. Juni 2011 – VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 19; vom 28. Oktober 2008 – VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 23). Denn wer den Rechtsfrieden bricht und durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen oder Rechtsgüter der Gemeinschaft angreift oder verletzt, muss grundsätzlich dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (Senatsurteile vom 18. Juni 2019 – VI ZR 80/18, VersR 2019, 1225 Rn. 33; vom 15. November 2005 – VI ZR 286/04, NJW 2006, 599 Rn. 14; vom 7. Juni 2011 – VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 19 mwN).
Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts muss allerdings im angemessenen Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens und seiner sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen (Senatsurteil vom 28. Oktober 2008 – VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 22; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 20 mwN; NJW 2006, 2835 Rn. 11). So ist etwa bei schweren Gewaltverbrechen ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Informationsinteresse auch über die Person des Täters anzuerkennen (Senatsurteil vom 18. Juni 2019 – VI ZR 80/18, VersR 2019, 1225 Rn. 33 mwN), während in Fällen der Kleinkriminalität oder bei Jugendlichen eine Identifizierung des Täters keineswegs immer zulässig ist (Senatsurteil vom 15. November 2005 – VI ZR 286/04, NJW 2006, 599 Rn. 15; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 20). Ein an sich geringeres Interesse der Öffentlichkeit an Information über leichte Verfehlungen kann im Einzelfall allerdings durch Besonderheiten etwa in der Person des Täters, der Art der Verfehlung oder des Tathergangs in einem Maße gesteigert sein, dass das Interesse des Täters an einem Schutz seiner Persönlichkeit dahinter zurückzutreten hat (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 – VI ZR 4/12, NJW 2013, 229 Rn. 13 für die Wortberichterstattung; Senatsurteil vom 15. November 2005 – VI ZR 286/04, NJW 2006, 599 Rn. 13, 21 f., 24; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 20; NJW 2006, 2835 Rn. 11). So hat der Senat, bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht, die identifizierende Wort- und Bildberichterstattung über einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß (erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung) eines Mitglieds des deutschen Hochadels für zulässig erachtet (Senatsurteil vom 15. November 2005 – VI ZR 286/04, NJW 2006, 599 Rn. 12 ff.; BVerfG, NJW 2006, 2835 Rn. 10 ff.). Eine identifizierende Berichterstattung über derartige Verfehlungen kann durchaus geeignet sein, Ideen und Informationen zu Fragen von allgemeinem Interesse zu vermitteln und eine Diskussion hierüber in der Gesellschaft anzustoßen oder zu bereichern (vgl. Senatsurteil vom 15. November 2005 – VI ZR 286/04, NJW 2006, 599 Rn. 29). Ebenso kann ein nicht mit Strafe bedrohtes rechtswidriges Verhalten einer der Öffentlichkeit nicht bekannten Person etwa wegen seiner Art, seines Umfangs und seiner Auswirkungen auf gewichtige Belange der Gesellschaft von so erheblicher Bedeutung für die Öffentlichkeit sein, dass das Recht am eigenen Bild hinter dem
Öffentlichkeitsinteresse zurückzutreten hat. Wo konkret die Grenze für das Informationsinteresse an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden (Senatsurteil vom 15. November 2005 – VI ZR 286/04, NJW 2006, 599 Rn. 15).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei den angegriffenen Bildnissen um solche aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Das Interesse der Kläger am Schutz ihrer Persönlichkeit hat hinter dem von den Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurückzutreten. Die erforderliche Abwägung kann der Senat selbst vornehmen, da keine weiteren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind.
Der die Bildnisse begleitenden Wortberichterstattung über – nach den tatbestandlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils unstreitig – wahre Tatsachen kommt erheblicher Informationswert zu. Danach haben die Kläger im gewerblichen Umfang Immobilien in München angemietet und sie sodann tage- oder wochenweise zu hohen Mieten an sogenannte Medizintouristen weitervermietet. Diese Geschäftspraxis haben sie auch noch fortgesetzt, nachdem sie ihnen von der Verwaltung untersagt worden war und die Verwaltungsgerichte die Untersagungsbescheide bestätigt hatten. Von der Revision nicht angegriffen ist weiter die nicht zu beanstandende Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es sich dabei um ein rechtswidriges Verhalten (vgl. Art. 2 des Gesetzes über die Zweckentfremdung von Wohnraum – Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG in der damals geltenden Fassung vom 22. März 2013) handelt.
Wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat, ist von einem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit auszugehen, weil sich die Berichterstattung mit einem aktuellen Thema von hohem gesellschaftlichen Interesse, nämlich der Wohnungsnot in München, dem Kampf der Stadt München gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum und den damit in Verbindung stehenden illegalen Geschäften der Kläger sowie ihren Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München befasst. Dieses Interesse wiegt hier entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb weniger schwer, weil es sich bei dem fortgesetzten rechtswidrigen Verhalten der Kläger nicht um eine Straftat (sondern um eine Ordnungswidrigkeit, vgl. Art. 5 ZwEWG in der damals geltenden Fassung vom 10. Dezember 2007) handelt und es dementsprechend nicht Gegenstand von Strafverfahren, im Zeitpunkt der Berichterstattung auch nicht von Bußgeldverfahren, sondern von verwaltungsgerichtlichen Verfahren war. Denn es handelt sich dabei um ein Fehlverhalten, das wegen seiner Art, seines Umfangs und seiner Auswirkungen auf gewichtige Belange der Gesellschaft von ganz erheblicher Bedeutung für die Öffentlichkeit ist. Das „Geschäftsmodell“ der Kläger hat sich nicht nur auf Einzelne, sondern auf die Gemeinschaft schädlich ausgewirkt, weil dringend benötigter Wohnraum dem Mietmarkt entzogen und damit die problematische Lage am Wohnungsmarkt verschärft wurde. Den verständigen Lesern der vorliegenden Artikel ist die Wohnungsnot in Großstädten wie München nicht nur bekannt; nicht wenige von ihnen dürften zudem von ihr oder ihren Auswirkungen (hohe Mieten) selbst betroffen sein. Das Handeln der Kläger war von persönlichem Gewinnstreben getragen; zu Lasten der Gesellschaft erzielten die Kläger mit der Zweckentfremdung von Wohnraum Einnahmen in erheblichem Umfang. Schließlich haben sich die Kläger auch durch behördliche und gerichtlich bestätigte Untersagungsbescheide von ihrem rechtswidrigen Tun nicht abhalten lassen, sondern ihr eigennütziges und gemeinschädliches Verhalten unbeirrt fortgesetzt. Die Bedeutung des Fehlverhaltens der Kläger für die Öffentlichkeit lässt sich somit zwar nicht mit dem Bekanntheitsgrad der Kläger begründen, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Zeitpunkt der Berichterstattung nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen, wohl aber mit der besonderen Bedeutung ihres Fehlverhaltens für die Öffentlichkeit. Wenn die Kläger derart zu Lasten der Gesellschaft gegen die Rechtsordnung verstoßen, müssen sie dulden, dass das von ihnen selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird. Sie haben durch ihr rechtswidriges Verhalten den Bereich rein privater Betätigung verlassen und sich selbst zum Gegenstand des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit gemacht (vgl. Senatsurteil vom 15. November 2005 – VI ZR 286/04, NJW 2006, 599 Rn. 27).
Demgegenüber wiegt die Beeinträchtigung des Rechts der Kläger auf Schutz ihrer Persönlichkeit weniger schwer. Zwar wird ihr Fehlverhalten in identifizierender Weise öffentlich bekannt gemacht und ihre Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert. Auch dürfte aufgrund der besonderen Bedeutung und des Gewichts ihres Fehlverhaltens für die Öffentlichkeit die allgemeine soziale Missbilligung hoch sein. Andererseits übersieht das Berufungsgericht, dass sich der Umstand, dass es nicht um die Berichterstattung über eine Straftat und ein Strafverfahren, sondern „nur“ über ein Verwaltungsverfahren geht, für die Kläger weniger belastend auswirkt. Denn sie werden der Öffentlichkeit nicht als Straftäter vorgeführt. Für die Berichterstattung, die ein verwaltungsgerichtliches Verfahren begleitet und wahrheitsgemäß ein Verhalten schildert, das öffentlich-rechtlich verboten ist, können sich die Kläger ferner nicht auf die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK berufen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 18. Juni 2019 – VI ZR 80/18, VersR 2019, 1225 Rn. 46). Wegen der Wahrheit der Wortberichterstattung müssen sie auch nicht befürchten, dass ihre Gesichter zu Unrecht mit diesem Verhalten verbunden werden. Anders als Straftäter können sie sich zudem nicht auf ihr Resozialisierungsinteresse berufen (vgl. dazu Senatsurteile vom 7. Juni 2011 – VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 25; vom 28. Oktober 2008 – VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 23 mwN). Es handelt sich bei den Artikeln um eine tagesaktuelle Berichterstattung zu einer Zeit, zu der die Kläger ihr Fehlverhalten trotz bereits vorliegender verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen fortgesetzt haben. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beiträge nicht das Verhalten der Kläger in ihrer Privat-, sondern in ihrer Sozialsphäre zum Gegenstand haben (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 276/17, juris Rn. 128) und der Identifizierungsgrad durch die Bilder zwar hoch, aber aufgrund unvollständiger Namensnennung (Vorname und erster Buchstabe des Nachnamens) dennoch eingeschränkt ist. Die Bildveröffentlichung mag für die Kläger nach alledem eine nicht unerhebliche Belastung darstellen. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass sie eine Stigmatisierung, Ausgrenzung oder Prangerwirkung zur Folge gehabt haben könnte (vgl. Senatsurteile vom 28. Oktober 2008 – VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 40; vom 15. November 2005 – VI ZR 286/04, NJW 2006, 599 Rn. 23).
Ob der mit der Abbildung der Kläger verfolgte Informationszweck auch ohne identifizierende Berichterstattung hätte erreicht werden können, ist für die Beurteilung, ob ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegt, unerheblich (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 2011 – VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 20).
3. Bei der gebotenen Würdigung der Veröffentlichungen in ihrer Gesamtheit werden durch die Verbreitung der Fotos keine berechtigten Interessen der Kläger verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG). Die Fotoaufnahmen enthalten keine über die Identifizierung hinausgehende Beeinträchtigung; sie haben keinen eigenständigen Verletzungsgehalt (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 2019 – VI ZR 80/18, VersR 2019, 1225 Rn. 37 mwN). Zu berücksichtigen sind dabei auch die Umstände, unter denen die Aufnahmen entstanden sind. Ferner ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst ist und wie er dargestellt wird (Senatsurteil vom 9. Februar 2010 – VI ZR 243/08, NJW 2010, 2432 Rn. 35 mwN). Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts wurden die Kläger im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem (öffentlichen) verwaltungsgerichtlichen Verfahren fotografiert, welches Anlass für die Berichterstattung war. Die Bildnisse sind diesem Kontext nicht entfremdet worden (vgl. hierzu Senatsurteil vom 15. November 2005 – VI ZR 286/04, NJW 2006, 599 Rn. 25; BVerfG, NJW 2006, 2835 Rn. 13 mwN). Dass die Kläger aufgenommen wurden, obwohl sie ausdrücklich ein Fotografierverbot ausgesprochen hatten, und dass in eben dieser Situation der Kläger zu 2 mit seiner abwehrenden Gestik fotografiert wurde, unterstreicht zwar, wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, dass die Kläger nicht in die Veröffentlichung der Fotos gemäß § 22 Satz 1 KUG eingewilligt haben. Damit lässt sich aber eine Verletzung berechtigter Interessen im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG nicht begründen. Handelt es sich um ein Bildnis der Zeitgeschichte, so steht ein ausdrückliches Verbot des Betroffenen der Zulässigkeit der Veröffentlichung nicht entgegen.