wie das LG Kiel mit Urteil vom 27.04.2006 (Az.: 4 O 251/05) entschieden hat.
Darüber hinaus ist der Beklagte verpflichtet, der Klägerin jeglichen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der unbefugten Veröffentlichung der Nacktfotos im Internet zukünftig entstehen wird. Dies gelte insbesondere für die Kosten einer effizienten Entfernung der Bilddateien aus dem Internet.
Der Sachverhalt:
„Die Klägerin, war mit dem Beklagten, seit November 2001 befreundet. Sie trennte sich im Dezember 2002 von ihm. Während ihrer Beziehung hatte der Beklagte von der Klägerin mit seiner digitalen Kamera Fotografien gefertigt, von denen zwei die Klägerin lächelnd, mit entblößter Brust auf dem Bett sitzend, zeigen, mit dem An- oder Auskleiden beschäftigt, während sie auf dem dritten Foto vollkommen entblößt schlafend zu sehen ist. Diese Fotos hatte er ihr auf einer CD im November 2002 zukommen lassen. Nach Beendigung der Beziehung versuchte der Beklagte zunächst noch bis Mitte Februar 2003, die Klägerin wieder für sich zu gewinnen. Als dies misslang, stellte er über “…” die drei Fotos von der Klägerin mit der Bezeichnung “X.jpg” auf einer Tauschbörse ins Internet, nachdem er sie derart bearbeitet hatte, dass in der linken oberen Ecke in roter Schrift Name, vollständige Postanschrift und Telefonnummer der Klägerin eingeblendet wurden und in der rechten oberen Ecke das Wort “… danach!”. Um diese Fotos anderen Mitgliedern der Tauschbörse zur Verfügung zu stellen, musste er sie eigens dafür vorsehen und in eine eigene Datei einlegen, auf die dann – weltweit unbegrenzt – der Zugriff eröffnet war, sodass jeder Betrachter die Bilder herunterladen und auch seinerseits zum Betrachten und Herunterladen wieder einstellen konnte.
Die Klägerin erhielt am 17.03.2003 gegen 12.30 Uhr den Anruf eines ihr unbekannten Mannes, der ihr von der Internet-Veröffentlichung der Fotos berichtete und ihr diese Fotos auf ihre Bitte per e-mail zusandte. Noch am selben Tage erstattete die Klägerin gegen den Beklagten Strafanzeige und stellte Strafantrag; er wurde … rechtkräftig wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Auf die Aufforderung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 23.03.2003 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Zahlung eines Schmerzensgeldes von 11.000,00 EUR bis zum 14.04.2003 ließ der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 17.04.2003 erklären, er habe sämtliche Fotos der Klägerin einschließlich der gespeicherten Dateien bzw. des Negativmaterials mittlerweile gelöscht und außer den drei Fotografien weitere Veröffentlichungen nicht vorgenommen, und er bot ein Schmerzensgeld von 1.500,00 EUR an. Gleichzeitig ließ er einen entsprechenden vorformulierten Vergleichsvorschlag übersenden, der auch die geforderte Unterlassungserklärung abänderte. Als die Klägerin sich hierzu nicht äußerte, überwies er auf ein erneutes Aufforderungsschreiben vom 20.01.2004 als abschließende Schmerzensgeldzahlung Ende Januar 2004 einen Betrag von 2.000,00 EUR. Ein gesonderter Ausgleich der auf diesen Streitwert berechneten Anwaltskosten der Klägerin von 141,94 EUR – insoweit wird auf die Berechnung Bl. 7 d. A. Bezug genommen – erfolgte nicht.
Zu dieser Zeit erhielt die Klägerin zwei Schreiben von ihr unbekannten Männern, die mitteilten, sie hätten die Fotos mit der Anschrift der Klägerin im Internet gesehen und wären an Kontakten interessiert; wegen der näheren Einzelheiten wird auf diese Schreiben (Bl. 19 f d. A.) verwiesen.
Nachdem die Klägerin (…) mit ihren Kindern (…) ausgewandert war, wo sie nunmehr in einem kleinen Dorf lebt, wurde aufgrund der Fotografien eine Namensvetterin der Klägerin am 14.10.2005 gegen 02.00 Uhr nachts angerufen und mit schlüpfrigen Angeboten überzogen. Eine Recherche vom 06.12.2005 ergab, dass die Fotos nach wie vor im Internet zu finden waren.“
Die Entscheidung des LG Kiel:
Das Gericht fand für diese Tat klare Worte und sprach der Klägerin wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts sowie wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung mehr als den doppelten Betrag an Schmerzensgeld zu, als Sie selber für angemessen hielt.
„Der Beklagte hat, allein um der Klägerin Schaden zuzufügen und sie buchstäblich vor aller Welt bloßzustellen, intime Fotos der Klägerin verbreitet, die niemals für eine Betrachtung durch Dritte bestimmt waren und von denen mindestens das eine, sie unbekleidet schlafend zeigende, auch ohne ihr Wissen aufgenommen worden ist. Er hat darüber hinaus diese digitalen Fotografien eigens in einer Weise bearbeitet, dass – durch das Wort “… danach!” – nicht nur eindeutig auf einen vollzogenen Geschlechtsverkehr angespielt wurde, sondern – durch die eingestellte vollständige Postanschrift und Telefonnummer – auch noch eine ebenso eindeutige Kontaktaufforderung enthalten war. Indem er die so bearbeiteten Fotos in eine eigene Datei (mit der gezielt sexuelle Neugier weckenden Dateibezeichnung “…X …”) brachte und auf einer Tauschbörse anonym, d.h. ohne Hinweis auf seine eigene Urheberschaft, Dritten zum Betrachten wie auch zum Herunterladen präsentierte, hat er bewusst den Eindruck erweckt, die Klägerin betreibe auf diese Weise Werbung für sich und sei geneigt, den Geschlechtsverkehr mit jedem beliebigen unbekannten Mann durchzuführen. Daran ändert es auch nichts, dass es sich um keine gestellten Fotos, sondern ersichtliche Amateur-Schnappschüsse handelte; vielmehr ist nicht auszuschließen, dass gerade diese Art von Fotografien auf einige Betrachter reizvoll wirkte. Eben diese Wirkung lassen auch die beiden der Klägerin im Januar 2004 zugegangenen Schreiben kontaktsuchender Männer erkennen.“
Die Höhe des Schmerzensgeldes begründet das Gericht wie folgt:
„Für die Höhe des Schmerzensgeldes sind neben der Art und Intention der Tatausführung insbesondere die Folgen dieser Handlung für die Klägerin von Bedeutung. Insoweit hat der Beklagte selbst dargestellt, dass eine endgültige Entfernung der Bilddateien aus dem Internet nach dem derzeitigen technischen Stand nicht möglich ist, da weder die Identität desjenigen festgestellt werden kann, der die Bilder herunterlädt, noch zu ermitteln ist, wer diese Bilder erneut einstellt und damit seinerseits wieder zur Verbreitung freigibt. Da auch die Dateinamen frei veränderbar und zumindest teilweise auch bereits verändert worden sind, muss nach den gegenwärtigen Erkenntnissen die Klägerin damit rechnen, zeitlebens von Dritten auf diesen Fotos “besichtigt” zu werden, ohne dass sie weiß und jemals kontrollieren kann, ob und wann jemandem aus ihrem Bekanntenkreis diese Bilder bekannt geworden sind und ob das von Dritten ihr gegenüber an den Tag gelegte Verhalten auf die Kenntnis von diesen Fotos zurückzuführen ist. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es damit nicht entscheidend, ob und wann zuletzt die Klägerin aufgrund eindeutiger Veranlassung durch die Internetveröffentlichung konkrete Angebote mit sexuellem Bezug erhalten hat, sondern ihr Leben hat sich dadurch einschneidend verändert, dass sie auch bei unspezifischen Verhaltensweisen Dritter wie der Nennung beim Vornamen durch Unbekannte, einem anzüglichen Grinsen oder – so geschehen, solange sie noch unter der auf den Fotos angegebenen Anschrift wohnte – nächtlichem Klopfen an die Fensterscheiben, Klingeln an der Haustür oder Telefonanrufen niemals sicher sein kann, ob dieses Verhalten nicht aufgrund der im Internet kursierenden Fotos veranlasst ist. Hinzu kommt, dass die Klägerin fürchten muss, dass auch ihre Kinder beim Surfen im Internet auf diese Fotos stoßen. Die Gefahr konkreter Belästigungen an ihrem Wohnort dürfte zwar durch den Wegzug der Klägerin zurückgegangen sein, jedoch haben sie und ihre Kinder damit auch ihr vertrautes Umfeld eingebüßt. Insoweit spielt es nur eine untergeordnete Rolle, dass die Klägerin (…) ausgewandert ist. Auch ein Umzug innerhalb Deutschlands hätte den Verlust des sozialen Umfeldes zur Folge gehabt, und dass die Klägerin bei einem Umzug lediglich innerhalb der Stadtgrenzen mit weiteren konkreten Nachstellungen zu rechnen gehabt hätte, zeigen die nach ihrem unbestrittenen Vorbringen noch heute vorkommenden Anrufe bei ihrer Namensvetterin. Dass sich die Klägerin auch nach ihrer Auswanderung nicht sicher vor Nachstellungen fühlt, ist im Übrigen daraus ersichtlich, dass sie ausdrücklich darum gebeten hat, ihre jetzige Anschrift nicht preiszugeben.
Insgesamt hält das Gericht in Anbetracht der Tatsache, dass die Klägerin zukünftig bis auf weiteres mit den im Internet – weltweit – kursierenden verunglimpfenden Fotos wird leben müssen, auch in Anbetracht der vorgetragenen Einkommensverhältnisse des Beklagten ein Schmerzensgeld von insgesamt 25.000,00 EUR für angemessen.“
Darüber hinaus wurde dem Antrag der Klägerin auf Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für künftige Schäden aus folgenden Gründen stattgeben.
„Auch wenn gegenwärtig unstreitig keine technische Möglichkeit besteht, die Fotos (unter sämtlichen derzeit verwendeten Dateinamen) vollkommen und dauerhaft aus dem Internet zu entfernen, und daher derzeit etwa für eine solche Entfernung aufgewendete Kosten nicht zum Erfolg führen können, ist es nicht ausgeschlossen, dass zukünftig ein effizientes Löschungsverfahren entwickelt wird. Die Möglichkeit, dass ohne eine jetzige Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten dem Grunde nach die spätere Durchsetzung von Kostenerstattungsansprüchen wegen der Erhebung einer Verjährungseinrede gefährdet wäre, rechtfertigt das erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin. Solange im Übrigen die Fotos im Internet weiterhin vorhanden sind, ist auch die Entstehung neuer Schäden bei der Klägerin nicht auszuschließen.“