Am 09.10.2013 ist das “Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken” in Kraft getreten. Durch das neue Gesetz versucht der Gesetzgeber insbesondere kostspielige Abmahnungen im Bereich des Urheberrechts gegenüber Verbrauchern und im Bereich des Wettbewerbsrechts für Bagatellverstöße von Kleingewerbetreibenden einzudämmen.
Im Einzelnen sieht das Gesetz im Urheberrecht sowie im Wettbewerbsrecht folgende Änderungen vor:
I. Änderungen des Urheberrechts:
Für den Bereich des Urheberrechts sieht das Gesetz neue Formvorschriften und eine Streitwertbegrenzung für eine Abmahnung eines Verbrauchers wegen eines Urheberrechtsverstoßes sowie einen Kostenerstattungsanspruch für eine unberechtigte oder unwirksame Abmahnung und eine neue Gerichtsstandsregelung vor. Im Einzelnen sieht das Gesetz folgende Änderungen für den Bereich der urheberrechtlichen Abmahnungen vor:
1. Formerfordernisse einer Abmahnung:
Hinsichtlich der formellen Anforderungen einer urheberrechtlichen Abmahnung wird § 97a Abs. 2 UrhG wie folgt geändert:
§ 97a Abmahnung
(1) …
(2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise
1. Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,
2. die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
3. geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln
und
4. wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam.
Anmerkung: Durchaus eine sehr interessante Regelung mit erheblichem Verteidigungspotential gegen eine Abmahnung im Filesharing-Bereich. Viele der bisherigen Abmahnungen erfüllen diese Formerfordernisse nicht. Diese Abmahnungen wären also in Zukunft unwirksam. Sicherlich werden die abmahnenden Kanzleien nunmehr versuchen die Formerfordernisse einzuhalten. Ob es in jedem Fall gelingt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls bedarf zukünftig jede Abmahnung einer exakten Prüfung, ob die Formerfordernisse des Gesetzes in sämtlichen Einzelheiten eingehalten wurden. Ist dies nicht der Fall, ist die Abmahnung bereits aus diesem Grunde unwirksam und der Abgemahnte erhält nach dem neuen § 97a Abs. 4 UrhG (siehe unten unter Ziffer 3.) einen Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich seiner Anwaltskosten. Eine ungenaue und/oder zu weitgehende Abmahnung kann demnach zukünftig für den Abmahner zum Bumerang werden.
2. Streitwertbegrenzung im Falle einer urheberrechtlichen Abmahnung an einen Verbraucher:
Der neu gefasste § 97a Abs. 3 UrhG, welcher eine Streitwertbegrenzung für eine Abmahnung gegenüber einem Verbraucher im Falle einer Urheberrechtsverletzung regelt, wurde wie folgt geändert:
(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Nummer 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1.000 Euro, wenn der Abgemahnte
1. eine natürliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet,
und
2. nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.
Der in Satz 2 genannte Wert ist auch maßgeblich, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden.
Satz 2 gilt nicht, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.
Anmerkung: Durch diese Regelung wurde versucht, eine Streitwertbegrenzung für eine urheberechtliche Abmahnung an Verbraucher im privaten Bereich einzuführen. Liegen sämtliche Voraussetzungen vor, ist der Gegenstandswert für eine urheberrechtliche Abmahnung auf 1.000,00 EUR begrenzt, was zur Folge hat, dass lediglich 147,56 EUR an Anwaltskosten erstattet verlangt werden können. Der Haken an der Sache ist sicherlich der letzte Satz, wonach diese Regelung nicht gilt, sofern dieser
„Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.“
Die Rechtsanwälte der Rechteinhaber werden sicherlich versuchen, diese Ausnahme im Filesharing-Bereich – aufgrund des Aufwandes, den Anschlussinhaber zu ermitteln – praktisch zu Regel zu machen. Es bleibt abzuwarten, ob die Gerichte dieser – meines Erachtens nach schwachen – Argumentation folgen werden.
Zudem werden die abmahnenden Rechtsanwälte versuchen, den Streitwert einer Abmahnung über erhöhte Schadensersatzforderungen zu erhöhen. Aufgrund der Tatsache, dass Schadensersatzansprüche dem Grunde nach lediglich gegen den Täter der Urheberrechtsverletzung (und nicht gegen den Anschlussinhaber, der nicht der Täter ist) in Betracht kommen, wird es für die abmahnenden Rechtsanwälte auch an dieser Stelle schwer, den Streitwert auf diese Weise zu erhöhen.
3. Kostenerstattungsanspruch bei unberechtigter oder unwirksamer Abmahnung:
Nach dem neuen § 97a Abs. 4 UrhG erhält der Abgemahnte zukünftig einen eigenen Kostenerstattungsanspruch für seine Anwaltskosten, sofern die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist und es für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar war, dass die Abmahnung unberechtigt war.
§ 97a Abs. 4 UrhG wird wie folgt neu gefasst:
Soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, kann der Abgemahnte Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war. Weitergehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.
Anmerkung: Auch diese Regelung hat enorme Sprengkraft, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass ein Kostenerstattungsanspruch für den Abgemahnten auch dann entsteht, wenn die Abmahnung nicht den Formerfordernissen des § 97a Abs. 1 UrhG entspricht und damit formell unwirksam ist. In dieser Regelung steckt meines Erachtens nach enormes Streitpotential, was die Gerichte zukünftig sicherlich in erheblichem Umfang beschäftigen wird.
4. Neue Gerichtsstandsregelung für Verbraucher:
Der neue § 104a UrhG schafft eine erhebliche Erleichterung für Verbraucher im Falle eines Gerichtsverferfahrens. Eine Klage muss nunmehr bei dem Gericht am Wohnort des Verbrauchers erhoben werden.
Der neue § 104a UrhG lautet wie folgt:
„§ 104a Gerichtsstand
(1) Für Klagen wegen Urheberrechtsstreitsachen gegen eine natürliche Person, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung ihren Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn die beklagte Person im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.“
Anmerkung: Der „fliegende Gerichtsstand“, bei dem sich die Rechteinhaber das Gericht praktisch aussuchen konnten, gehört damit – zumindest bei gerichtlichen Verfahren gegen Verbraucher – der Vergangenheit an.
Fazit: Das Gesetz bringt im urheberrechtlichen Bereich erhebliche Änderungen sowie Verbesserungen der Position abgemahnter Verbraucher in Filesharing-Verfahren mit sich, auch wenn das Gesetz noch die ein oder andere unklare Formulierung bereit hält, die durch die Gerichte erst noch geklärt werden müssen.
II. Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb:
Im Rahmen des Wettbewerbsrechts sind insbesondere weitere Möglichkeiten zur Reduzierung der Abmahn- bzw. Prozesskosten für wettbewerbsrechtliche Verstöße im Bagatellbereich (z.B. Impressumsverstöße, Informationspflichten etc.) geregelt worden sowie ein Kostenerstattungsanspruch bei einer missbräuchlichen Abmahnung.
1. Erweiterte Möglichkeiten zur Reduzierung der Abmahn- bzw. Prozesskosten:
Diesbezüglich wurde § 12 Absatz 4 UWG durch die folgenden Absätze 4 und 5 ersetzt:
„(4) Macht eine Partei in Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst. Die Anordnung hat zur Folge, dass
1. die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat,
2. die begünstigte Partei, soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten hat und
3. der Rechtsanwalt der begünstigten Partei, soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben kann.
(5) Der Antrag nach Absatz 4 kann vor der Geschäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.“
In diesem Zusammenhang wurde zudem § 51 des Gerichtskostengesetzes wie folgt geändert, wobei insbesondere der Absatz 3 nunmehr einen Streitwert von 1.000,00 EUR vorgibt, sofern keine genügenden Anhaltspunkte für eine angemessene Streitwertbestimmung vorliegen:
(2) In Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(3) Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach Absatz 2 ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1 000 Euro anzunehmen, auch wenn diese Ansprüche nebeneinander geltend gemacht werden.
2. Kostenerstattung bei einer missbräuchlichen Abmahnung:
Neu geschaffen wurde ein ausdrücklicher Gegenanspruch des Abgemahnten auf Ersatz der Aufwendungen zur Rechtsverteidigung, wenn die Abmahnung missbräuchlich erfolgt ist. Die Vorschrift entspricht dem Umfang nach dem Aufwendungsersatzanspruch des berechtigt Abmahnenden nach § 12 Absatz 1 Satz 2 UWG. Eine bedeutende Änderung ist dies meines Erachtens nach nicht, da auch bisher die Anwaltskosten des Abgemahnten im Falle einer nachweislich missbräuchlichen Abmahnung im Wege des Schadensersatzes nach allgemeinem Deliktsrecht geltend gemacht werden konnte. Dieser Kostenerstattungsanspruch ist nunmehr in § 8 Absatz 4 UWG ausdrücklich ergänzt worden. Diesbezüglich wurde § 8 Absatz 4 UWG wie folgt ergänzt:
„Die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche [Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch] ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. In diesen Fällen kann der Anspruchsgegner Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Weitergehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.“
Fazit: Auch im Wettbewerbsrecht wollte der Gesetzgeber insbesondere, teure Abmahnungen gegenüber Kleingewerbetreibenden bei Bagatellverstößen eindämmen, da diese in der Vergangenheit oftmals existenzbedrohend waren. Ob dies in der Praxis letztlich gelingt, bleibt allerdings abzuwarten. Auch wenn einige interessante Ansätze geschaffen wurden, sind die neuen Regelungen an entscheidenden Stellen sehr auslegungsbedürftig und von den Umständen des Einzefalles abhängig. In welchen Fällen die Gerichte z.B. bei Abmahnungen und gerichtlichen Verfahren eine Streitwertminderung auf 1.000,00 EUR vornehmen werden, bleibt abzuwarten. Im Ergebnis muss daher die weitere Entwicklung der Rechtsprechung in den nächsten Monaten abgewartet werden.
III. Weitere Änderungen im Wettbewerbsrecht:
Darüber hinaus sind Verbesserungen des Verbraucherschutzes bei der Telefonwerbung mittels automatischen Anrufmaschinen und bei telefonischer Gewinnspielwerbung vorgenommen worden.
Hinsichtlich telefonischer Werbung mit automatischen Anrufmaschinen wurde der Bußgeldtatbestand des § 20 Absatz 1 UWG erweitert. Nunmehr sind auch die unerlaubten Werbeanrufe, die mittels automatischer Anrufmaschinen erfolgen bußgeldbewehrt (§ 7 Absatz 2 Nummer 2 UWG).
Hinsichtlich telefonischer Gewinnspielwerbung bedarf nunmehr ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, der Textform.